Mikropoetisches Manifest

Sprache ist kein Abbild der Wirklichkeit, sondern ein Weg, um diese möglich zu machen.

Sprache schafft Wirklichkeit. Wo ihre Dekonstruktion nicht mehr Mittel und Werkzeug ist, um die Möglichkeiten unseres sprachlichen Handelns zu erweitern, sondern Selbstzweck  wird, wird sie zu einer stilisierten Überschreitung, einem letztendlich in sich selbst kreisenden Phänomen und auf halbem Weg schon beendeten Experiment.

Wenn wir stattdessen von Entknüpfung und Entkoppelung sprechen, geht es uns dabei nicht primär um den Bruch mit bestehenden Regeln. Es geht vielmehr darum, einen sprachlichen Raum zu erweitern und uns Zugang dazu zu verschaffen.

Mikropoesie stellt Beziehungen her oder hebt diese auf: sie zeigt Wirkliches und Erdachtes und verweist uns dabei auf das Mögliche oder unmöglich Scheinende an dessen Rändern.

Mikropoetische Texte können aus einem einzelnen Satz oder Halbsatz bestehen oder nur einem einzigen Wort, das allein und für sich steht.

Sie verweisen uns auf das Wort: in seiner Möglichkeit und in seiner Valenz, Bindungen einzugehen und dabei Moleküle mit anderen zu bilden.